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Munitionsfabrik Selterhof - Werk S in Treuenbrietzen

Inhalt:

1. Die Metallwarenfabrik 1933 bis 1945

2. Demontage 1945 bis 1947

3, Durchgangslager für Vertriebene und Heimkehrer 1946 bis 1949

4. Kasernierte Volkspolizei 1949 bis 1954

5. Nachrichten-Kaserne der Sowjetarmee 1954 bis 1993

6. Die Entwicklung zum Solarpark nach 1994

1. Die Metallwarenfabrik 1933 bis 1945

1933 erfolgte in Treuenbrietzen der Bau der zweiten Munitionsfabrik durch die Kopp & Co G.m.b.H., das Werk S – Selterhof. Es firmierte als Metallwarenfabrik Treuenbrietzen GmbH Werk Selterhof. Das alte Werk am Sebaldushof wurde das Werk A. Die moderne Fabrik entstand nordwestlich der nach Lüdendorf führenden Straße. Die langestreckten einstöckigen Werkhallen waren aus Luftschutzgründen in ein ausgelichtetes Waldstück gebaut worden. Sie sind aus vorgefertigten Bauelementen errichtet worden, hatte Metallrahmenfenster und mit Leichtschlacke verkleidete Flachdächer. Die Werkzeugmaschinen standen auf soliden Betonfundamenten. Es wurden Infanteriepatronen 7,9 mm und auch 3,7 cm Flak-Munition gefertigt. Im Kriegsverlauf kamen noch Kartuschen für Artilleriemunition dazu, die in der nur wenige Kilometer entfernten Muna Altes Lager zu Granaten verarbeitet wurden. Die Arbeitskräfte kamen mit Bussen bis aus Potsdam, Luckenwald und Brandenburg. 1934 ereignete sich ein schweres Unglück, als ein Anhänger eines Busses aus Potsdam am Bahnübergang des Selterhofes von einem Zug erfasst wurde. Es gab zahlreiche Tote und viele Verletzte. 1936 wurden von der Kurmärkischen Kleinsiedlungs GmbH Berlin für die Arbeiter der Fabrik in Frohnsdorf eine Siedlung mit 125 Einfamilienhäusern, davon 106 halbe Doppelhäuser und 19 freistehende Einzelhäuser gebaut. Ab Kriegsbeginn 1939 wurden auch dienstverpflichtete Deutsche wie Hausfrauen und Verkäuferinnen als Arbeiterinnen zugeführt Als das nicht mehr reichte wurden Arbeitskräfte aus dem Rheinland, Sudetenland, Österreich angeworben. Es folgten Kriegsgefangene insbesondere aus Frankreich und der Sowjetunion die aus dem STALAG Luckenwalde zugeführt wurden. Während des Krieges kamen zahlreiche freiwillige Fremdarbeiter und Zwangsverpflichtete aus Kroatien, Frankreich und Holland. Anfangs waren die Fremd- und Zwangsarbeiter, unter denen sich viele Frauen befanden, noch in Privatquartieren untergebracht und konnten sich in Treuenbrietzen frei bewegen.

1941 entstand gegenüber dem Werk, also südöstlich der Straße nach Lüdendorf, eine lagermäßige Unterkunft. Hier waren dann vor allem die Ostarbeiter aus der Sowjetunion, Polen und der Tschechei untergebracht, aber zunehmend auch Arbeitskräfte aus Belgien, Frankreich und Holland. Im Juni 1943 befanden sich über 594 männliche (davon 109 aus der Sowjetunion und 863 weibliche (davon 507 aus der Sowjetunion) ausländische Arbeitskräfte im Werk. Das Arbeitslager umfasste drei Unterkunftsbereiche. Nahe der Bahnlinie gab es eine kleine Siedlung für gehobenes technisches Personal und Verwaltungspersonal. Daran schlossen sich in westlicher Richtung die Barackenunterkünfte der Zwangsarbeiter an. Zentrum des dritten Bereiches im Westen des Areals war ein dreiflügeliger Bau mit 2 Etagen. Er stand mit seinen Nebengebäuden vermutlich der Lagerverwaltung und dem Wachpersonal zur Verfügung. Leider gibt es keine alten Fotos der Gebäude.

Deutsche Arbeiter bildeten den Betriebsschutz und bewachten die Kriegsgefangenen während der Arbeit und in den Unterkunftsbaracken. Es waren bis zu 2.000 Menschen ohne Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt, davon allein 200 im Werkzeugbau. Die Zwangsarbeiter wurden von den deutschen Kollegen mit Nahrungsmitteln soweit wie möglich unterstützt, obwohl es verboten war. Es gab aber auch Berichte von Übergriffen von Meistern auf Mädchen aus Polen.  1944 kam eine Gruppe Frauen vom Außenkommando des KZ Ravensbrück aus Belzig hinzu. Sie wurden von SS-Angehörigen bewacht. Im September 1944 sollen russische Zwangsarbeiter versucht haben eine politische Organisation aufzubauen, sie wurden entdeckt und von der SS erschossen. Bei der Räumung des Lagers kam es zu einem tragischen Zwischenfall. Am 20. April geriet ein Zug mit evakuierten Arbeitskräften im Bahnhof Treuenbrietzen in einen amerikanischen Bombenangriff. Als ein dort abgestellter Zug mit Panzerfäusten explodierte kamen fast alle Insassen ums Leben.

1. Die Metallwarenfabrik 1933 bis 1945

2. Demontage 1945 bis 1947

Die Demontage der Kopp-Werke in Treuenbrietzen zog sich bis in den Herbst 1946 hin. Manche Inventar- und Bauteile für welche die Besatzungsmacht keine Verwendung hatte, konnten noch von der örtlichen Bevölkerung geborgen werden. Am 13. September 1946 befahl der sowjetische Kreiskommandant dem Arbeitsamt Belzig, im Verlauf der nächsten zwei Wochen 300 Arbeitskräfte zum Abbau von Metallkonstruktionen bei Kopp & Co. in Treuenbrietzen abzustellen. Der Selterhof wurden wie die Kopp Werke Sebaldushof und Roederhof in Belzig bis Sommer 1947 gesprengt. Das sind die Reste im Wald:

2. Demontage 1945 bis 1947
3. Durchgangslager 1946 bis 1949

3. Durchgangslager für Vertriebene und Heimkehrer 1946 bis 1949

Während am Sebaldushof auch das Zwangsarbeiterlager abgebrochen wurde, blieb es am Selterhof aber erhalten. Es wurde, mit seinen wenigen festen Gebäuden, nach dem Krieg als Durchgangslager bzw. Quarantänelager für die Vertriebenen aus den Sudentenland und den Karpaten genutzt. Am 16.02.1946 trifft der erste Zug mit 1.122 Flüchtlingen, darunter 613 Kinder unter 14 Jahren ein. Am 29.6.1946 kam ein Transport mit 1110 Vertriebenen Karpatendeutschen, überwiegend Oberzipsern, aus dem Lager Poprad (Deutschendorf) in der Slowakei an. Viele von ihnen wurden anschließend in Brück und Umgebung angesiedelt. Die Entlausung erfolgte in der nahen Landesanstalt. Das Lager war eingezäunt und wurde bewacht. Die Menschen konnten es nur mit einem Passierschein verlassen.  Die Baracken waren durchgehend mit doppelstöckigen Schlafgelegenheiten für 60 Personen bestückt, Das waren keine Betten, sondern mit Stroh ausgelegte Holzkonstruktionen. Die Leute hatten ständig Hunger und gingen in der Umgebung betteln. Das Lager war für bis zu 2000 Personen ausgelegt.

Im August 1948 wird der Selterhof für 14 Tage Quarantänestation für Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft aus Großbritannien, Frankreich und Jugoslawien. Zum Zustand des Lagers habe ich im Kreisarchiv Belzig folgenden Schriftverkehr gefunden:

4. Kasernierte Volkspolizei 1949 bis 1954

​4. Nutzung durch die Kasernierte Volkspolizei 1949 bis 1954

Ab 1949 übernahm die Kasernierte Volkspolizei (KVP) das Objekt. Hier wurde die 8. Volkspolizei Bereitschaft Berlin/Brandenburg mit 600 Polizisten stationiert. Im Selterhof fand u.a. die artilleristische Ausbildung mit Waffen der Wehrmacht statt. Ende 1950 wurde die Einheit nach Premnitz verlegt. Danach war hier eine Polit-Schule der KVP. Zeitzeuge Rüdiger Lehmann berichtete mir, wie er noch im Sommer 1953 als Abiturient im 2 Meter tiefen Becken des Schwimmbades des Selterhofs den jungen Rekruten das Schwimmen lehrte. Das Bad nutzten die Russen weiter. Nach langer Suche habe ich es, versteckt hinter dichten Buschwerk, gefunden:

Hinter dem Schwimmbad war der Sportplatz des Objektes der später zu Fußball Vergleichen zwischen den sowjetischen Soldaten und Betriebsfußballern aus Treuenbrietzen genutzt wurde. Ende 1953 beanspruchte die Sowjetarmee das Gelände für sich und die Politschule wurde nach Potsdam verlegt. Einen CIA-Bericht von 1950 über die KVP im Selterhof könnt Ihr hier nachlesen.

5. Nachrichten-Kaserne der Sowjetarmee 1954 bis 1994

Die Sowjetarmee nutze fortan das Areal als Depot und Nachrichtenknoten. Die GSSD hat die vorgefundenen Unterkünfte zu großen Teilen übernommen, überbaut und teilweise mit zweigeschossigen Wohnbauten ergänzt. Von Mitte der 60iger bis Ende der 70iger Jahre sind zu dem diverse Garagenhallen, Lager und Werkstätten gebaut worden. Hier war die 132. Nachrichtenbrigade stationiert, die direkt dem Oberkommando in Wünsdorf unterstellt war. Sie war zuständig für den täglichen Nachrichtenbetrieb  im Fernsprech- und Fernschreibnetz, in  den Netzen der Benachrichtigung, Warnung u. Alarmierung sowie der Datenfernübertragung. Neben eigenen Kabeltrassen wurden auch von der Deutschen Post angemietete Leitungen verwendet.

Die 57. Militärbaubrigade aus Forst Zinna erbaute zwischen 1976-78 auf dem Gelände einen einetagigen, monolithischen Bunker (Maße Hauptbauwerk 17 x 32 Meter). Tarnname war Gnesdo. Der Bunker sollte im Ernsfall als Gefechtsführungszentrum dienen. Im Gefechtspark verfügte die Nachrichtenbrigade auch über mobile Technik. Die Übungen der Einheit wurde auf den naheliegenden Keilberg am Rande des Truppenübungsplatzes Jüterbog durchgeführt. Von einer großen Wichtigkeit der Brigade war auszugehen, denn dieses Objekt gehörte 1994 zu einem der letzten die beim GSSD-Abzug geräumt wurden. Zuletzt ist der Nachrichtenbunker noch von oben geöffnet worden, um das Notstromaggregat für den Abtransport zu bergen. Bilder der Kaserne seht ihr hier.

Am Rand des Geländes in Richtung Nieplitz hatten die Soldaten Viehhaltung betrieben um ihr karges Essen anzureichern. Vorwiegend wurden Schweine gemästet. Küchenabfälle und Futtermittel, die sie als Gegenleistung für Einsätze in LPG´s erhielten, waren die Futterbasis. Auch ein Schießstand der Munitionsfabrik wurde weiterbetrieben, der nach Abzug der Garnison von der Treuenbrietzener Schützengilde weiter genutzt und ausgebaut wurde. 

5. Nachrichten-Kaserne 1954 bis 1993

6. Die Entwicklung zum Solarpark nach 1994

Nach dem Abzug der sowjetischen Nachrichtenbrigade 1994 war das Areal bis 2004 ungenutzt. Im März 2005 erfolgte der Verkauf an einen Solaranlagenbetreiber mit den Altlasten von u.a. 22.400 qm Asbest und 4.000 qm Dachpappe die es zu entsorgen galt. Der Rückbau der 85 Gebäude und einer Tankstelle begann. Auf dem Gelände entstand der Solarpark "Selterhof". Am 06.10.2008 erfolgte die Inbetriebnahme.

Heute wird nur noch eine der ehemaligen Schießbahnen der Fabrik, die auch die GSSD weiter nutzte, vom Treuenbrietzener Schützenverein belegt. Es gibt auch noch eine stillgelegte Klärananlage, ansonsten sind nur noch ein paar Steinbrocken der gesprengten Fabrikhallen im Unterholz des Waldes sichtbar.

6. Solarpark nach 1994
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